Sechzehn Jahre ist der Saab 9.5 alt, ein echtes Schätzchen. Er hat neu 35 000 Euro gekostet, jetzt liegt der Wert vielleicht noch bei 3000 Euro. Das ist viel Geld, doch kein Betrag, der den Saab-Besitzer bei einem Schaden in große Not stürzen würde. Dennoch zahlt er brav Jahr für Jahr, seitdem er den Wagen 2007 zugelassen hat, zusätzlich zur Haftpflichtversicherung eine Vollkaskodeckung.
So wie ihm geht es Millionen Fahrern. Wer lange Auto fährt und sich ungern mit dem Thema Versicherung befasst, hat oft noch die ursprüngliche Deckung mit allem Schnick und Schnack, die er eigentlich nicht mehr braucht. Sie oder er freut sich, wenn bei Schadenfreiheit der Rabatt ansteigt und der Preis etwas sinkt. Aber eine grundlegende Überprüfung, ob der Schutz in dem Ausmaß noch nötig ist, unterbleibt. Dann merken Fahrerin oder Fahrer auch nicht, dass ihr Versicherer für bestehende Kunden regelmäßig die Tarife anhebt, während er mit billigeren Angeboten Neukunden lockt.
Eine hohe Deckungssumme in der Haftpflicht ist wichtig
Klar ist: An der Haftpflicht führt kein Weg vorbei, ohne sie darf kein Auto fahren. Die Haftpflicht kommt bei Unfällen, die der Halter beziehungsweise der Fahrer verschuldet hat, für entstandene Schäden bei anderen auf. Wichtig ist daher eine hohe Deckungssumme, sagt Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Weil Unfälle, vor allem mit Personenschäden, oft viel teurer werden als die gesetzliche vorgeschriebene Mindestdeckungssumme von 7,5 Millionen Euro, rät er zu höheren Deckungssummen. “Es sollten mindestens 50 Millionen Euro sein, besser 100 Millionen Euro.”
2002 kam es zu einem schweren Unfall auf der Wiehltalbrücke. Die Reparatur kostete Millionen und dauerte Jahr.
(Foto: Felix Heyder/Image-Alliance/ dpa)
Denn wer mit seinem Auto einen Personenschaden verursacht, kann leicht viele Millionen Euro an Ansprüchen auslösen. Schwerverletzte müssen lebenslang versorgt und gepflegt werden, die Angehörigen von getöteten Unfallopfern haben Anspruch auf Entschädigung.
Ein Schaden auf der Wiehltalbrücke im Jahr 2004 kostete 32 Millionen Euro. Ein BMW hatte einen Tank-Lkw gerammt, der von der Brücke stürzte und in Model geriet. Die Brücke wurde durch das Feuer stark beschädigt. Im englischen Selby geriet 2001 ein Land Rover auf eine Autobahnböschung, weil der Fahrer eingeschlafen warfare, und kam auf Eisenbahnschienen zum Halt. Der Intercity 225 kollidierte mit dem Pkw, zehn Menschen starben. Der versicherte Schaden perception sich auf mehr als 50 Mio. Euro.
Deutlich kleiner sind die Schäden am eigenen Fahrzeug, die man mit einer Kaskoversicherung abdecken kann. Teilkasko- und Vollkaskodeckungen sind freiwillig, und ob sie sinnvoll sind oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. “Über den Abschluss sollte man je nach Wert des Fahrzeuges sowie der jeweils für eine Teilkasko- bzw. Vollkaskoversicherung geforderten Prämie entscheiden”, sagt Claudia Frenz von der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten.
Eine Teilkasko bietet Versicherungsschutz bei Beschädigung, Zerstörung oder Verlust des eigenen Fahrzeugs durch äußere Einflüsse wie Unwetter, Diebstahl, Model und Explosion, Schäden durch Zusammenstöße mit Haarwild, Tierbisse an Kabeln, Schläuchen und Leitungen oder Kabelschäden durch Kurzschluss und Glasbruch. Wer nur eine Haftpflicht hat, ist gegen all diese Risiken nicht geschützt. “Ratsam ist ein Kaskoschutz zumindest dann, wenn man sich ein vergleichbares Ersatzfahrzeug nicht ohne Weiteres aus frei verfügbaren Mitteln beschaffen kann”, sagt Frenz.
Eine Vollkaskoversicherung für Neuwagen ist sinnvoll
Wenn ein Autofahrer einen Unfall verschuldet hat, kommt für den Schaden bei anderen seine Haftpflichtpolice auf – beziehungsweise die des Fahrzeughalters, wenn der Fahrer nicht mit dem eigenen Auto unterwegs warfare. Die Schäden am eigenen Fahrzeug muss der Fahrer aber selbst übernehmen, hier leistet auch die Teilkasko nicht.
Für Schäden, die der Fahrer versehentlich selbst verursacht hat oder die durch Vandalismus entstanden sind, ist eine Vollkaskoversicherung nötig. Versicherungsexpertin Frenz vom BdV empfiehlt, vor dem Abschluss der Versicherung zu prüfen, ob die Beiträge in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Fahrzeuges stehen. “Die Vollkaskoversicherung ist sinnvoll für Neuwagen und für hochwertige Fahrzeuge, oder wenn das Auto mit einem Kredit finanziert wird oder geleast ist”, sagt sie.
Im Sturm ist ein Baum auf ein Auto gestürzt. Ob die Teilkasko zahlt, hängt auch von der Stärke des Sturms ab.
(Foto: Michael Bahlo/dpa)
Wie so oft bei Versicherungen kommt es auch hier auf die Particulars an: Die Teilkasko leistet beispielsweise bei Sturmschäden am eigenen Auto, aber in der Regel nur, wenn es offiziell auch tatsächlich ein Sturm der Windstärke acht warfare. Lag die Windstärke darunter, zahlt die Teilkasko nicht, wohl aber die Vollkasko.
In älteren Teilkaskoverträgen kann es außerdem sein, dass nur ein Zusammenstoß mit Haarwild abgedeckt ist. Das bedeutet: Zusammenstöße mit Nutz- und Haustieren wie einer freilaufenden Kuh oder mit Federwild, Wölfen oder Waschbären sind nicht versichert. Was Autofahrern oft nicht klar ist: “Um einen Wildunfall geltend zu machen, muss das Wild auch tatsächlich mit dem Auto gerammt worden sein”, sagt Frenz. “Wenn man einem Tier ausweicht und dadurch gegen einen Baum fährt, ist das nicht über die Teilkasko versichert, sondern nur über die Vollkasko.”
Die Vollkasko ist zwar nicht ganz billig, aber sie leistet auch viel mehr als die Teilkasko. Für ihre Kfz-Haftpflichtversicherung gaben die Autohalter in Deutschland im Jahr 2021 nach Berechnungen des Versichererverbandes GDV im Schnitt 254 Euro aus, für Teilkasko 83 Euro. Die Vollkaskoversicherung, die die Teilkasko beinhaltet, kostete im Schnitt 324 Euro. Das sind nur Durchschnittswerte – die Unterschiede zwischen den Tarifen der einzelnen Anbieter sind immens. “Oft ist die Differenz zwischen Teilkasko und Vollkasko gar nicht so groß”, sagt Frenz. Sie rät dazu, bei seinem Kfz-Versicherer nachzufragen und die Tarife gründlich zu vergleichen.
Versicherer belohnen Fahrer, die unfallfrei unterwegs sind
Bei langjährigen Kunden kann der Versicherungsschutz mit Vollkasko deutlich günstiger sein als die leistungsschwächere Teilkasko. Schon 2018 hatte das Vergleichsportal Check24 Rechnungen mit verblüffenden Ergebnissen angestellt: Ein Mann, Jahrgang 1960, mit Schadenfreiheitsklasse 36 zahlte für seinen Mitsubishi Colt II Turbo für Haftpflicht und Vollkasko beim selben Anbieter bis zu 76 Prozent weniger als mit Teilkasko. Bei einem Mini Cooper Cabrio waren es immer bis zu 40 Prozent weniger.
Grund für das Preisgefälle ist die Schadenfreiheitsklasse: Nicht nur in der Haftpflicht, sondern auch in der Vollkasko belohnen die Versicherer Fahrerinnen und Fahrer, die lange unfallfrei unterwegs sind. In der Teilkasko gibt es keine Schadenfreiheitsklasse, und damit auch keine Preisnachlässe, wenn es länger keinen gemeldeten Schaden gab.
Vielen ist aber nicht klar, dass ein Schaden in der Vollkaskoversicherung in der Regel mit einer Hochstufung verbunden ist, hat BdV-Expertin Frenz beobachtet. “Während bei einem Teilkaskoschaden nicht hochgestuft wird, erfolgt bei einem regulierten Vollkaskoschaden eine Rückstufung der Schadenfreiheitsklasse, und das führt damit im Folgejahr zu einem höheren Beitrag.”
Bei der Abwägung, ob man Teilkasko oder Vollkasko hinzubucht, sollte man sich nicht nur an objektiven Kriterien wie dem Wert des Fahrzeugs orientieren, rät Christian Weishuber von der Allianz. “Es ist sinnvoll, auch die individuellen finanziellen Verhältnisse in die Überlegungen einzubeziehen”, sagt er. Wer über ausreichend Geld verfügt, wird mühelos einen Kaskoschaden am eigenen Wagen selbst zahlen können. Selbst wenn es sich um ein teures Auto handelt, für das eigentlich eine Vollkaskopolice angeraten wäre, könnte sie oder er auf diese Deckung verzichten.
Für Autobesitzer, die eine Werkstattrechnung von wenigen Tausend Euro sehr wohl in finanzielle Bedrängnis bringen würde, kann sich durchaus eine Vollkaskopolice lohnen, selbst wenn ihr Fahrzeug einen überschaubaren Restwert hat. Reduzieren lässt sich der Beitrag für die Vollkasko etwa durch eine höhere Selbstbeteiligung im Schadenfall, beispielsweise 300 Euro statt 150 Euro.
“Wenn man auf das Auto beruflich oder familiär angewiesen ist, sollte das Risiko eines finanziellen Schadens durch einen selbstverschuldeten Unfall abgedeckt sein, und zwar unabhängig davon, ob das Fahrzeug gekauft, finanziert oder geleast ist”, rät Weishuber von der Allianz. “In diesem Fall hilft nur eine Vollkaskoversicherung, da keine andere Versicherung diesen Schaden trägt.”
Das günstigste Angebot ist häufig nicht das beste
Wer zu dem Ergebnis kommt, dass eine Teilkasko oder sogar nur die obligatorische Haftpflicht ausreicht, kommt nicht von heute auf morgen aus der Vollkasko heraus. Während es jederzeit möglich ist, auf einen höherwertigeren Versicherungsschutz aufzustocken, können Kunden bestehende Verträge immer nur zur Fälligkeit kündigen. Das ist bei vielen Kfz-Policen traditionell der 31. Dezember eines jeden Jahres. Das heißt: Die Kündigung der Vollkasko für eine Umstellung auf Teilkasko oder den reinen Haftpflichtschutz muss bis zum 30. November beim Versicherer eingegangen sein.
Wie bei vielen Produkten oder Dienstleistungen gilt auch bei der Kfz-Versicherung: Das günstigste Angebot ist häufig nicht das Beste, es gibt es auch viele teure Angebote mit schlechtem Preis-Leistungs-Verhältnis. Gerade bei der Wahl des Kfz-Versicherungsvertrages schauen viele zunächst auf die Höhe des Beitrags. Das sollte aber nicht das ausschlaggebende Kriterium sein. “Wichtig sind die Leistungen des Tarifs, denn nur mit guten Bedingungen lassen sich von vornherein viele Probleme im Schadenfall vermeiden”, betont Frenz. Informieren, genau hinschauen und mit dem Versicherer oder Vermittler sprechen, das spart oft viel Geld und kann böse Überraschungen bei einem Schaden verhindern.